Sardinien 1978: Erinnerungen mit der Eye
Segler-Treffen vor Monte Petruso - Begegnung mit den Weltumseglern
Im Sommer 1978 verbrachte unsere Familie die Ferien in Monte Petrosu auf Sardinien – keine 100 Meter zum Strand der Cala Girgolu. Morgens war es hier immer am schönsten: Es war noch kühl, das Meer ruhig, eine schwache Brise reizte zum frühen Segeln mit unserer kleinen Jolle. Welche Überraschung! Eines Morgens lag in unserer Bucht ein wunderschönes Segelschiff, das meine Neugier weckte. Ich segelte um das Schiff herum und fand dabei schon seinen Namen bemerkenswert: Eye of the Wind.
An Deck wurde in dieser frühen Morgenstunde bereits fleißig gearbeitet. Gelegentlich sah ein Besatzungsmitglied auf den kleinen Segler da unten herab, und so kam ich mit einigen Leuten von Deck aus ins Gespräch. Ich erfuhr, dass das Schiff, von einer Weltumsegelung kommend, auf der Rückreise nach England war.
Die Unterhaltung endete mit der Frage, wo man abends tüchtig feiern könne. Da wir schon häufiger hier Urlaub gemacht hatten, konnte ich dies leicht beantworten, denn es gab eine kleine, gemütliche Taverne direkt am Strand, die wir gut und schon lange kannten. Wir vereinbarten einen Treffpunkt am Ufer, an dem wir uns für den späten Abend verabredeten.
Ein unvergessliches Fest und frische Panini
Zur vereinbarten Zeit kamen ungefähr zehn Personen vom Schiff aus auf einem Beiboot auf uns zugesteuert. Nach herzlicher Begrüßung gingen wir gemeinsam in die Taverne – der Beginn eines denkwürdigen Abends. Wir erfuhren viele interessante Geschichten von den Crewmitgliedern. Niemand hatte die Weltumsegelung komplett mitgemacht, denn es gab drei oder vier Stationen, an denen die Möglichkeit zum Crew-Wechsel bestanden hatte.
Diejenigen, die am längsten an Bord waren, hatten in Australien angeheuert: Lorna und Ray, die uns später in Stuttgart besuchten, hatten dort ihr Haus verkauft, um mitsegeln und um danach eine Europareise unternehmen zu können. Soweit ich mich erinnere, hatte der Skipper in Singapur gewechselt, jetzt war das Schiff unter dem Kommando von Mike.
Der Abend in der Taverne entwickelte sich im Laufe der Nacht zu einem unvergesslichen Fest. Es wurde natürlich viel von den Abenteuern unterwegs erzählt, und obwohl uns allen der Wein gut schmeckte und unsere Kinder längst in einer Ecke schliefen, war nicht viel Seemannsgarn dabei, so war jedenfalls mein Eindruck. Zwischen 3 und 4 Uhr am Morgen organisierte meine Frau Dorit beim Bäcker des Dorfes einen Sack voll frischer Panini für die gesamte Crew. Weinselig, in bester Laune und mit einem Papiersack voll frischer Brötchen brachte das Beiboot sie auf ihr Schiff zurück.
An Bord der Weltumsegler
Wahrscheinlich im Überschwang des gemeinsamen, aufregenden Abends hatten unsere neuen Freunde vorgeschlagen, sie würden uns morgens mit dem Beiboot abholen und wir könnten mit ihnen bis zu ihrem nächsten Stopp nach Porto Cervo mitsegeln. An Bord angekommen, wurden wir zwar von unseren gestrigen Freunden herzlich begrüßt, die übrige Crew war verständlicherweise recht reserviert über die „Touristen“, die sich da plötzlich an Bord eingefunden hatten. Die Stimmung löste sich langsam, vor allem wohl auch weil es für die gesamte Mannschaft etwas Besonderes war, frische Paninis zum Frühstück zu essen.
Nach dem Frühstück setzte die Mannschaft die Segel. Meine Frau ließ sich mit dem Beiboot an Land bringen, weil sie uns mit dem Auto in Puerto Cervo am frühen Abend abholen wollte.
Vor dem Segelsetzen holt die Crew den Backbord-Anker auf – mit Muskelkraft! Auf diese Weise würde es auch heute noch funktionieren (...wer möchte, meldet sich freiwillig beim Kapitätn, liebe Gäste). | Ganz oben am Vormast weht die italienische Flagge. Ansatzweise zu erkennen: 1978 fuhr die Eye of the Wind noch mit weißem Segeltuch. |
Das Sturm-Abenteuer beginnt
Dann begann das Abenteuer Nummer zwei. Kaum waren wir aus der Bucht heraus gesegelt, kam ein heftiger Wind auf und es hieß „Segel reffen“. Draußen hatten wir fast Sturm von Norden. Mike entschied, ein Sturmsegel zu setzen und zu motoren. Um nach Norden zu kommen, mussten wir aufkreuzen, was bei diesem Seegang ein schweres Unterfangen war. Die Wellen waren hoch und der Bug tauchte jedes Mal nach einer rollenden Welle tief ins Wasser, bevor sich das Schiff wieder aufrichtete. Wir hatten Windstärke 9 und die Mannschaftsmitglieder meinten, sie hätten auf der ganzen Reise noch keinen solchen Sturm erlebt. Meine Kinder waren kurzfristig seekrank, erholten sich aber schnell bei einem guten Schlaf in einer der Kojen.
Nach Rücksprache mit dem Hafenkapitän war allen klar, dass wir bei diesem Wetter und dem Nordwind an diesem Tag nicht nach Porto Cervo kommen konnten, wo meine Frau – den Kofferraum des Autos voll mit frischem Gemüse, das sie auf dem Markt besorgt hatte – auf uns wartete. Ohne große Zwischenfälle liefen wir an diesem aufregenden Tag nachmittags in die geschützte Bucht bei Capriccioli ein, wo die Eye of the Wind vor Anker ging.
Meine beiden Söhne und ich wurden an den Strand eines Luxushotels ausgebootet. Wir mussten über den Strand durch das palastähnliche Hotel marschieren und man kann sich wohl gut vorstellen, wie wir drei zerzausten Gestalten von den dortigen Gästen betrachtet wurden. Nun hatten wir zwar wieder festen Boden unter den Füßen, aber wir waren noch ein ganzes Stück weit weg von Porto Cervo, wo wir mit meiner Frau verabredet waren.
Da wir vergessen hatten, Geld mitzunehmen, lieh uns ein Crewmitglied eine Summe für den Notfall. Ein solcher Notfall trat glücklicherweise nicht ein, denn wir entschlossen uns, per Auto-Stopp weiterzukommen, und hatten Glück: Nach wenigen Minuten hielt ein Fahrzeug mit italienischem Kennzeichen, aus dem heraus wir jedoch von einer jungen Frau auf Deutsch angesprochen wurden. Sie kutschierte uns nach Porto Cervo, wo uns Dorit in die Arme nahm. Sie hatte stundenlang auf einem Hügel gestanden und auf das stürmische Meer in Richtung Süden geblickt – allerdings vergeblich – und sie hatte sich bereits ausgemalt, wir hätten Schiffbruch erlitten. Denn weder die Eigner von im Hafen liegenden Yachten noch der Hafenkapitän hatten ihr Mut gemacht: „Bei diesem Wind und dieser Welle kommt hier kein Schiff vom Süden her an!“
Weg vom Ankerplatz unter Maschine, nur mit Sturmbesegelung. | Anrollende Wellen fordern vom Rudergänger volle Konzentration. |
Sechs Wochen später, beim Besuch von Lorna und Ray bei uns zuhause, erfuhren wir dann, dass die Eye of the Wind am nächsten Tag Porto Cervo erreicht und dass der Hafenkapitän, dem meine Frau das Gemüse zu treuen Händen dort gelassen hatte, dieses der Mannschaft dann übergeben hatte. Wie wir hörten, bereitete die Crew sich daraus eine gesunde und schmackhafte Mahlzeit zu.
Noch eine Weile hatten wir mit drei Crewmitgliedern brieflichen Kontakt, der dann leider eingeschlafen ist. Obwohl wir aus Altersgründen sicher nicht mehr mit der Eye of the Wind reisen werden, wollte ich gerne meine Erinnerungen an die Erlebnisse vor 45 Jahren niederschreiben. Ich würde mich freuen, wenn dieser kleine Bericht jemanden interessieren kann, und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
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