Eine Legende unter Segeln
Vor mehr als 100 Jahren nimmt eine Legende der Segelschifffahrt ihren Lauf: In Brake an der Unterweser läuft 1911 der Neubau eines Gaffelschoners vom Stapel der Lühring Werft und wird von seinem Eigner, dem Kapitän Johann Friedrich Kolb aus Fockbek bei Rendsburg, auf den Namen „Friedrich“ getauft. Im März 1924 wird das Schiff an den Reeder Axel Ageberg im schwedischen Kalmar verkauft und erhält den Namen „Sam“. Nur zwei Jahre später erwirbt es die Reederei K.H. Hendriksson in Stockevik. Ein Jönköpings-Zweitakt-Motor wird eingebaut, und fortan durchquert der Motorschoner 30 Jahre als Frachtschiff „Merry“ die Ost- und Nordsee.
Im Herbst 1955 strandet sie in schwerem Orkan an der schwedischen Westküste. Das Wrack wird geborgen, repariert und als anderthalb-mastige Galeasse „Rose Marie“ erneut in Fahrt gebracht, zeitweise in der Treibnetzfischerei vor Island. Zweimal wechselt das Schiff, das mittlerweile ausschließlich unter Maschine fährt, in den 60er-Jahren den Eigner, und aus der „Rose Marie“ wird wieder „Merry“.
Am 21. Januar 1970 vernichtet ein Feuer das gesamte Achterschiff und den Maschinenraum. Nur knapp entkommt das Wrack den Schneidbrennern. Es wird zunächst an einen Interessenten aus den USA veräußert, der es ursprünglich in ein Klublokal verwandeln will. Dieser Plan wird jedoch niemals verwirklicht.
Das neue Leben des Schiffes beginnt 1973, als es von dem Briten Anthony „Tiger“ Timbs gekauft wird. Nun beginnt eine Gruppe begeisterter Schiffsliebhaber damit, das Schiff als Brigantine zu aufzuriggen. Fast vier Jahre dauert die Restaurierung auf der Werft in Faversham/England. In den ehemaligen Laderäumen entstehen ein Salon sowie die Unterkünfte für Crew und Passagiere. Ein neuer Motor wird eingebaut. Alle Arbeiten erfolgen aufwändig, mit viel Liebe und mit einem Blick für die maritime Ästhetik. Die Bänke im Salon stammen aus einer Kirche und das edle Holz für die Innenausstattung ergattert der Enthusiast Timbs beim Abriss eines Bankgebäudes. Die neuen Masten wurden zuvor zum Auskleiden von Bohrlöchern bei der Gewinnung von Erdöl verwandt. Aus dem robusten Teakholz eines ehemaligen Tanzbodens werden die Deckshäuser errichtet. Viele Details werden in Handarbeit gefertigt.
Schließlich entsteht ein Segelschiffsjuwel, das auf der Welt seinesgleichen sucht. Ab 1976 ist der Zweimaster unter seinem neuen Namen Eye of the Wind bereit, großen Abenteuern auf See entgegen zu fahren. Gleich bei der ersten Reise wird der Globus umrundet. Die Weltreise mit Stationen in Australien, der Südsee und einer Rundung des berüchtigten Kap Hoorn ist 1978 kaum beendet, da wartet schon die nächste Herausforderung auf den eindrucksvollen Großsegler: Unter der Schirmherrschaft von Seiner Königlichen Hoheit Prince Charles wird der Eye of the Wind die Ehre zuteil, als Flaggschiff die „Operation Drake“ anzuführen. An dieser knapp zweijährigen Expeditionsreise auf den Spuren des berühmten Seefahrers und Wissenschaftlers rund um den gesamten Globus nehmen während verschiedener Etappen mehr als 400 unterschiedliche Crew-Mitglieder teil. Die wechselnden Besatzungen der Eye of the Wind kommen aus 27 Nationen, haben aber bereits nach kurzer Zeit eines gemeinsam: sie sind gefangen von der Seele und der Ausstrahlung dieses Schiffes.
Seine imposante Erscheinung erregt auch in der Filmbranche Aufmerksamkeit, und so durchkreuzt der Großsegler mehrmals die Gewässer bei Filmsets großer Hollywood-Produktionen. Wie im wahren Leben, so trotzt die Eye of the Wind auch vor der Kamera wilden Stürmen, strandet, brennt aus und sinkt. In dem Abenteuerstreifen „Die Blaue Lagune“ (1980), dem Piratenfilm „Savage Islands / Die Insel der Piraten“ (1983), „Tai-Pan“ (1986) oder „White Squall / Reißende Strömung“ (1996) dient das Schiff als Kulisse.
Namhafte Hollywood-Stars wie Brooke Shields und die beiden Oscar®-Preisträger Tommy Lee Jones und Jeff Bridges nehmen auf dem Schiff das Steuerrad in die Hand. In dem Epos „Tai-Pan“, basierend auf der Romanvorlage von James Clavell, spielt die „segelnde Hollywood-Diva“ sogar eine Doppelrolle – die der „Morning Cloud“ mit weißen Segeln und die der „White Witch“ mit braunen Tüchern, die sie heute noch fährt.
1990 folgt die Eye of the Wind einer Einladung in die Südsee und nimmt an den Festlichkeiten des 200-Jahrestages der Besiedlung der Insel Pitcairn teil, welche im Zuge der bekannten Meuterei auf der „Bounty“ entdeckt worden und als Zufluchtsort genutzt worden war. Nach einer weiteren Rundung des Kap Hoorn ist der Großsegler dann bis in das Jahr 2000 als Segelschulschiff auf allen Weltmeeren zu Gast und steuert die bekanntesten Häfen der Welt an.
Nach der Teilnahme am Tall Ships Race 2000 erwirbt ein dänischer Unternehmer das Schiff, der fortan vom Heimathafen Gilleleje aus private Reisen unternimmt. Der neue Eigner restauriert die stolze Brigg komplett und stattet sie mit modernster Navigationstechnik und -elektronik aus. Bei der Planung und Umrüstung bleibt der maritime Charakter als traditioneller Großsegler sorgfältig bewahrt. Viel Teakholz, Edelhölzer, Messing und die Verarbeitung weiterer hochwertiger Materialien im Innendeck geben dem Schiff seine unverwechselbare Atmosphäre. Auf ein Bediensystem für das Rigg wird bewusst verzichtet: So werden die Segel mit einer Gesamtfläche von rund 750 Quadratmetern bis heute nur durch reine Muskelkraft gesetzt und eingeholt.
2009: Kurs auf den neuen Heimathafen bei der FORUM MEDIA GROUP
Für die Öffentlichkeit wird die Brigg erst neun Jahre darauf wieder zugänglich, als der Besitzer überraschend verstirbt und das Schicksal des prächtigen Segelschiffs zunächst unklar ist. Am 1. April 2009 können alle Fans der Eye of the Wind aufatmen: Ihr geliebtes Segelschiff findet bei der FORUM train & sail GmbH, einem Tochterunternehmen der deutschen FORUM MEDIA GROUP, einen neuen Heimathafen. Seitdem wird es ganzjährig für Segelreisen, exklusive Charter-Möglichkeiten und hochwertige Führungskräftetrainings eingesetzt.
Im Jahr 2011 feiert der Zweimaster sein 100-jähriges Jubiläum! Am 30. April führt die Eye of the Wind als Flaggschiff die Parade der Großsegler zur Eröffnung der Bremerhavener Kaiserschleuse an, in deren Rahmen ein neuer Weltrekord zur längsten Segelbootparade aller Zeiten aufgestellt wird. Lesen Sie mehr zur 100-jährigen Schiffs-Historie ...
Let your spirit set sail! Das Abenteuer endet nicht
Die hochseetaugliche und überaus seetüchtige Eye of the Wind ist kein Schiff, das gerne im Hafen liegt. Und so bietet die FORUM train & sail interessierten Mitseglern, die übrigens ohne seglerische Vorkenntnisse an Bord willkommen sind, immer neue attraktive Reiseziele an. Ob Karibik-Kreuzfahrt oder skandinavisches Sommer-Segeln – die Crew der Eye of the Wind nimmt Sie gerne mit zu neuen Abenteuern!
Eine ausführliche und unterhaltsame Schilderung der gesamten Schiffs-Historie finden Sie in dem Buch Eye of the Wind - Einem Traum auf der Spur.